Ein Wort, drei Buchstaben. Und irgendwo hat jeder von uns eine Verknüpfung damit.
Tod.
Oder nennen wir es ein wenig anders: Das Ende.
Das Ende dieses Lebens auf der Erde. Hast Du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Ich meine damit nicht das Sterben. Ich meine, hast Du dir schon einmal überlegt, dass alles das hier ein Ende haben kann? Noch genauer, dass es ein Ende haben wird? Und dass Du noch nicht einmal weisst, wann und wie?
Jetzt in der Zeit, wo das Corona-Virus sein Unwesen treibt, kommt das Thema uns ein wenig näher. Wenn ich die Leute beobachte, dann komme ich nicht drumherum mir vorzustellen, wie genau die Leute, die so oft über ihr Leben jammern jetzt ihre Schränke zu Hause mit Lebensmittel vollstopfen. Die Leute, die ihr Leben eigentlich nicht einmal wirklich lieben, geben nun alles, um es nicht zu verlieren.
Schon komisch, nicht wahr?
Doch wer kann es ihnen verübeln? Wir alle brauchen doch mehr Zeit. Mehr Zeit um. . . ja für was denn eigentlich? Vielleicht, könnte man sagen, um die Frage unseres Lebens zu beantworten.
Und manchmal frage ich mich: Wie viele Menschen, die auf der Welt leben, könnten sagen, dass sie gelebt haben, wenn sie heute sterben würden? Für wieviele Leute wäre es okay, jetzt die Welt zu verlassen? Wieviele wären zufrieden mit ihrem Leben?
Wieviele Leute hätten die Chance gehabt, ihren Traum zu leben und wieviele von ihnen hätten ihn auch wirklich gelebt?
Wieviele Leute würden sagen "Ich bin mit dem Leben noch nicht fertig, ich wollte noch..."? Wieviele Leute haben Angst vor dem Tod?
Und manchmal, da stelle ich mir auch die Frage: Wieviele Menschen haben ihren Traum erreicht und dann gemerkt, dass es gar nicht das war, wonach sie suchten? Dass es nicht das war, von dem sie wirklich träumten? Dass sie nun leer sind? Der Traum ist erreicht. Was nun? Einen neuen Traum träumen?
Und was, wenn auch dieser Traum erreicht wird? Und es dann noch leerer wird? Na dann kann man einfach einen Traum träumen, der so gross ist, dass er kaum erreichbar ist. Ein Traum an dem man vielleicht ein ganzes Leben lang daran zu träumen hat. Doch dann kann man sich fragen: Was würde am Ende dieses Traumes sein? Auch wenn man ihn vielleicht nie erreicht, so ist die Frage: Was wäre, wenn man ihn erreicht hätte? Wäre es nicht genau das selbe Gefühl wie bei dem kleineren Traum, den man ja erreicht hat? Wäre es nicht auch einfach eine Leere? Und wäre sie nicht sogar noch grösser, weil man sich viel länger damit beschäftigt hätte, wie schön es wäre, den Traum zu erreichen? Und dieses Wissen, dass womöglich die selbe Leere am Ende dieses grossen Traumes warten würde, sagte es uns nicht: "Es lohnt sich nicht."?
Wäre es am Ende nicht schöner gewesen, einfach nur davon geträumt zu haben? Würde es denn nicht reichen, wenn nur die Gedanken und die Gefühle an dem wunderbaren Ort gewesen wären, von dem man immer geträumt hat, ihn zu erleben? Würden wir denn nicht besser einfach nur träumen um des Träumens Willen? Weil das Träumen schöner ist, als das Erreichen dessen, wovon man träumt?
Vielleicht. Aber wir werden anders erzogen:
In den meisten Geschichten, die uns berühren, da ist der Protagonist in einer Lage, in der er etwas unbedingt will. Er will etwas erreichen. Er träumt davon, wie es sein wird, wenn er es erreicht hat. Und allen Widrigkeiten zum trotz beginnt er seine Reise. Koste es was es wolle. Er hat keine andere Wahl. Er muss es einfach tun. Ein Ziel, ein Weg. Alles in ihm will es.
Und er kämpft sich durch die Schlacht, erklimmt der steilen Berg- vielleicht stirbt er fast daran, seinen Traum endlich zu erreichen, und dann: Er kommt am Ziel an. Und wir freuen uns mit ihm, denn wir haben mitgefiebert. Es ist wie eine Erlösung. Happy End. Und dann kommen die vielen Namen in einer Reihe. Die Credits. Der Abspann. Der Film ist vorbei und alle sind glücklich.
Doch was passiert dann?
"Sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende" Genau das ist das, was wir hören wollen. Denn das ist das, was wir uns wünschen für uns selbst. Für unser eigenes Leben. Doch ich glaube, dass die Märchenerzähler nie dabei waren in diesen Jahren, die vergingen, bis das Lebensende wirklich da war.
Bleibt das Glück? Bleibt die Fröhlichkeit bis zum Lebensende? Hat dieser erreichte Traum die Kraft dem Protagonisten Erfüllung zu geben bis ans bittere Ende? Gibt der Traum dem Helden einen Sinn, der bis zum letzten Atemzug besteht? Wir waren doch überzeugt davon, dass der Held genau dafür bestimmt war, das zu erreichen, wovon er träumte. Und wenn er dies erreicht hätte, dann muss er doch erfüllt sein. Sein Lebenszweck hat sich erfüllt.
Oder hat sich der Sinn und Zweck durch dessen Erreichen nicht doch eher selber aufgelöst?
Und beginnt nun alles einfach von vorne?
Wieviele der berühmten Menschen, die davon träumten, gross herauszukommen, sind abgestürzt? Sind es nicht Unzählige?
Man sagt dann, sie sind in die Drogenszene gekommen. Oder sie wurden Alkoholiker. Oder das viele Geld sei ihnen nicht gut bekommen. Sie hätten übertrieben.
War nicht vielleicht am Ende ihres Traumes genau diese Leere? Diese Leere, die auch wir manchmal spüren? Und versuchten sie diese Leere mit Drogen zu füllen oder mit Besitz? Versuchten sie nicht auch verzweifelt nach Glück? Nach diesem Glücks-Gefühl, dass sie hatten, während sie damals an ihrem Traum arbeiteten und ihm ein Stück näher kamen?
Wieviele der Menschen, die von sich behaupten, glücklich zu sein, sind einfach nur gerade beschäftigt? Beschäftigt mit etwas, das ihnen im Moment Freude bringt. "Do more of what makes you happy" ist ihr Motto, und die stetige Beschäftigung scheint eine Weile lang zu funktionieren. Sie vermittelt Glück. Doch wieviele von ihnen sind einfach abgelenkt von der Frage, wer sie eigentlich sind? Und von dem, was sie eigentlich wollen?
Tom Petty hatte 1991 von Eddie und seinen Abenteuer in der grossen weiten Welt gesungen.
Da war Eddie, ein junger Mann aus einem Dörfchen in den USA, der einen Traum hatte: Er würde nach Hollywood gehen und gross rauskommen. Und genau das tat er. Er fand eine Freundin, gründete eine Band, schrieb einen Hit der in den Charts landete und wurde berühmt. Doch am Spitze seiner Karriere, am Höhepunkt dessen, wovon er träumte, da war ebenjene Leere. Eddie war ein "Rebel without a clue" ein Rebell, der keine Ahnung hatte. Keine Ahnung davon, dass am Ende des Traumes nichts mehr war.
Ich selber habe auf alle diese Fragen keine Antwort. Wirklich nicht. Zumindest nicht eine direkte. Da ich an aber den Himmel glaube, weiss ich, dass das Beste erst kommen wird. So oder so. Und ich weiss auch, dass ich, wenn ich einmal dort ankomme, alle die Antworten auf diese Fragen bekommen werde.
Doch abgesehen davon glaube ich auch, dass sich der Himmel bereits in dieser Welt hin und wieder zeigt.
Und dass sich das sogar besser anfühlt als ein erreichter Traum . . .